zum Inhalt springen

Forschungsthemen


Advanced Gamma Tracking Array

Gammaspektroskopie mit AGATA

Unsere Gruppe widmet sich Kernstrukturexperimenten in verschiedenen Regionen der Nuklidkarte. Das AGATA-Spektrometer mit der neuartigen γ-Tracking-Methode bietet hierzu eine noch nie dagewesene Detektionssensitivität für In-Beam-Spektroskopie. Aktuelle Beispiele sind Ergebnisse zu schweren Aktinidenkernen sowie neutronenreichen Kernen nahe der Schalenabschlüsse Z=50 and N=82, die in Experimenten am LNL in Italien gewonnen wurden. Aktuell befindet sich AGATA am Forschungszentrum GANIL in Frankreich.

Coulombanregung mit radioaktiven Ionenstrahlen

MINIBALL @ HIE-ISOLDE

Der neue HIE-ISOLDE-Beschleunigerkomplex am Forschungszentrum CERN bei Genf bietet neue Möglichkeiten zur Untersuchung sehr exotischer Kerne mittels radioaktiver Ionenstrahlen. Experimente mit Kernen weitab des Tals der Stabilität sind relevant für das Verständnis der grundlegenden Kernstruktur und ihrer Wechselwirkungen, sowie für Fragestellungen der nuklearen Astrophysik. Unserer Gruppe gelang eine anspruchsvolle Messung mit nachbeschleunigten Ionen des doppelt-magischen Isotops 132Sn. Die γ-Übergänge von angeregten Zuständen wurden mit dem MINIBALL-Spektrometer detektiert. Dieses bietet eine hohe Detektionssensitivität für Experimente mit kleinsten Strahlintensitäten.

Germanium-Detektortechnologie

Forschung und Entwicklung an hochsegmentierten HPGe-Detektoren

Das ultimative Detektordesign für γ-Spektroskopie ist eine geschlossene Schale aus hochreinem Germanium (HPGe). Ein solcher Ansatz wird in der AGATA-Kollaboration in Europa verfolgt. Die AGATA-Detektoren umfassen jeweils drei hochsegmentierte Ge-Kristalle in einem gemeinsamen Kryostaten. Forschung und Entwicklung zu diesen komplexen und hochintegrierten Detektorsystemen werden in der Kölner AGATA-Detektorgruppe vorangetrieben. Sowohl neuartige Technologien als auch grundlegende Detektorphysik sind die Basis für den Aufbau und erfolgreichen Betrieb von ultrasensitiven γ-Detektorsystemen. Unsere Forschungsergebnisse sind in einer Vielzahl von Publikationen zusammengefasst:

Instrumentierung für FAIR

Lund-York-Cologne-Calorimeter LYCCA

Das Lund-York-Cologne-Kalorimeter (LYCCA) ist ein Teilchendetektor für die FAIR/NUSTAR-Kollaboration zum Nachweis schwerer Ionen, die in Kernreaktionen mit relativistischen radioaktiven Ionenstrahlen (radioactive ion beams, RIB) produziert werden. Die Kernladung Z sowie die Masse A der Reaktionsprodukte können durch Messung der Flugzeit (Time-of-Flight, ToF), Energieverlusten und totaler kinetischer Energie bestimmt werden. Die hohe Granularität und Positionssensitivität von LYCCA erlaubt die Rekonstruktion der einzelnen Trajektorien der Reaktionsprodukte. Dies ist notwendig um hochauflösende Gamma-Spektroskopie an Kernen fernab der Stabilität durchführen zu können. Nach dem erfolgreichen ersten Einsatz während der NUSTAR-PreSPEC-Kampagne an der GSI in Darmstadt wurde ein Upgrade der Elektronik und des Datenaufnahme-Systems am STFC Daresbury durchgeführt. Hochintegrierte AIDA Front-End-Elektronik Module mit Application-Specific Integrated Circuits (ASICs) werden eingesetzt, um die Signale von mehr als tausend Spektroskopie-Kanälen zu verarbeiten. Nach der Testphase in Daresbury wurde der LYCCA-Detektor mit der neuen Elektronik am Tandembeschleuniger des IKP in Köln aufgebaut und aktuell betrieben.

Auf den Ort kommt es an...

Pulsformanalyse in hochsegmentierten HPGe-Detektoren

Experimente mit den positionssensitiven und hochsegmentierten AGATA-HPGe-Detektoren basieren auf der neuartigen Methode des Gamma-Ray-Tracking (GRT). Dieses erlaubt die genaue Bestimmung der einzelnen Wechselwirkungspunkte und damit die Rekonstruktion der Energie und aller Streupfade von γ-Strahlen im Detektor-Array. Das Tracking erfordert eine Pulsformanalyse (pulse-shape analysis, PSA) der Vorverstärkersignale aller 36 Segmente sowie der Zentralelektrode jedes Detektors. Die gemessenen Signale werden mit Simulationen verglichen um die einzelnen γ-Interaktionspunkte im Detektor mit einer Ortsauflösung von ca. 4 mm zu bestimmen. Eine wichtige Anwendung der Positionssensitivität ist die Korrektur von Ladungsträger-Trapping. HPGe-Detektoren sind in Experimenten zwangsläufig schnellen Neutronen ausgesetzt und erleiden hierdurch Kristalldefekte. Diese machen sich in einer verschlechterten Energieauflösung durch reduzierte Ladungssammlung bemerkbar. Software-basierte Korrekturen können die ursprüngliche Energieauflösung des Detektors nach Neutronenschädigung wieder herstellen.

  • L. Lewandowski et al. Pulse-Shape Analysis and position resolution in highly segmented HPGe AGATA detectors. Eur. Phys. J. A 55, 81 (2019) 
  • B. Bruyneel, B. Birkenbach, and P. Reiter: Pulse shape analysis and position determination in segmented HPGe detectors: The AGATA detector library. Eur. Phys. J 52:70 (2016)
  • B. Bruyneel et al. Correction for hole trapping in AGATA detectors using pulse shape analysis.
    Eur. Phys. J 49:61 (2013)
Bildgebung von Gamma-Strahlung

Compton-Imaging

Bildgebung hochenergetischer γ-Strahlung ist mit einer Compton-Kamera möglich. In unserer Gruppe wird ein solcher Aufbau, bestehend aus einem hochsegmentierten HPGe-Detektor und einem doppelseitig segmentierten Siliziumdetektor (DSSSD) entwickelt. Zur Rekonstruktion des Herkunftsortes von γ-Strahlung wird der Nachweis der individuellen Wechselwirkungsorte und Energien nach einer Compton-Streuung innerhalb des Ge-Kristalls genutzt. Hierzu kommen moderne digitale Spektroskopieelektronik und umfangreiche Softwarebibliotheken zum Einsatz. Eine optimierte Winkelauflösung wird durch den Einsatz des Si-Detektors in Koinzidenz mit dem Ge-Detektor erzielt. Für das Funktionsprinzip ist eine gute Energieauflösung der Detektoren und eine optimale Bestimmung der Wechselwirkungsorte mit Hilfe von Pulsformanalyse und des γ-ray-Trackings notwendig. Die ersten Ergebnisse sind in einer Publikation zusammengefasst:

Plunger, DSAM, Fast-Timing

Nukleare Lebensdauern

Lebensdauern von angeregten Zuständen sind wichtige Observablen des Atomkerns. Mithilfe von Gamma-Übergangsenergien und nuklearen Lebensdauern können reduzierte Übergangsstärken bestimmt werden. Diese Signaturen geben Aufschluss über die Struktur, also die Übergangsmatrixelemente und die beteiligten nuklearen Wellenfunktionen, sowie über die Kollektivität der untersuchten Kerne. Um eine breite Lebensdauerspanne zu studieren werden unterschiedliche Techniken verwendet: Die Dopplerverschiebungsmethode (kurz: DSAM) und die Plungermethode (auch: RDDS) werden für kürzeste Lebensdauern (0,1 ps - 1000 ps) verwendet während die Fast-Timing-Methode für längere Lebensdauern (<100 ns) genutzt wird. Lebensdauermessungen mit gepulstem Ionenstrahl ermöglichen die Untersuchung von Lebensdauern im Bereich von 100 ns bis zu einigen Sekunden. Experimente zur Messung unterschiedlichster Lebensdauern werden am FN-Tandem-Beschleuniger des Instituts für Kernphysik zusammen mit speziell dafür vorgesehenen Aufbauten durchgeführt.

Spektroskopie zu hohen Spins und Energien

Gamma-Spektroskopie mit HORUS

Ein neuer dedizierter Experimentalaufbau am Kölner γ-Spektrometer HORUS erlaubt komplementäre und detaillierte Messungen zu Ergebnissen, die mit dem AGATA-Tracking-Array erzielt wurden. Insbesondere leicht neutronenreiche Xe- und Ba-Isotope nahe der Schalenabschlüsse bei Z=50 und N=82 sind in Fusionsverdampfungsreaktionen mit stabilen Strahl-Target-Kombinationen nur schwer zugänglich. Saubere und selektive Triggerbedingungen sind insbesondere für Evaporationkanäle notwendig, in denen geladene Teilchen beteiligt sind. Ein doppelseitig segmentierter Siliziumdetektor (DSSSD) wird zum Nachweis geladener Teilchen in Koinzidenz zum Gammaspektrometer HORUS eingesetzt. Mit diesem Setup konnten Hochspinzustände in verschiedenen Xe- und Ba-Isotopen spektroskopiert und bestehende Termschemata zu höheren Energien erweitert werden. Die Ergebnisse werden mit neuesten Schalenmodellrechnungen verglichen.